Im Grunde wussten wir es doch alle – die Zeit war überreif für Skills-Based Hiring! Selbst als ich mein Informatikstudium vor 16 Jahren (oh nein, ich bin ein Dinosaurier!) abgeschlossen hatte, galt bereits folgende Formel: 50 % von dem, was ich erlernt hatte, war bei Studienabschluss bereits veraltet. Das galt für alle MINT-Fächer. Und du musst nicht Informatik studiert haben, um zu verstehen, dass die Halbwertszeiten inzwischen noch schlechter geworden sind.
In der IT-Branche zählen längst nicht mehr nur Abschlüsse. Wer heute Softwareentwickler:in, Data Scientist oder IT-Security-Spezialist:in werden will, braucht mehr als einen Hochschulabschluss … oder keinen! Fähigkeiten und praktische Erfahrung sind die neue Währung auf dem Arbeitsmarkt. Doch viele Unternehmen – vor allem in Deutschland – klammern sich immer noch an klassische Qualifikationen – und verpassen dabei vielversprechende Talente.
HR-Expert:innen sprechen hier von "Education Skepticism" – der wachsenden Skepsis gegenüber formalen Bildungswegen als einzigem Qualitätsmerkmal. Unternehmen wie Google oder IBM (Ginni Rometty – “Skills First”) haben den Trend längst erkannt: Sie verzichten auf Studienabschlüsse als Pflichtkriterium und setzen stattdessen auf Skills-Based Hiring – ein Recruiting-Ansatz, der Talente anhand ihrer tatsächlichen Fähigkeiten bewertet.
Natürlich machen es uns mal wieder die Amerikaner vor. Auch wir in Deutschland müssen weg von Titeln/Abschlüssen und hin zu Kompetenzen. Unser Plädoyer für Skills-Based Hiring – viel dabei Spaß!
Mal ehrlich, warum filtern Unternehmen immer noch nach Abschlüssen? Das mag vor 20 Jahren funktioniert haben, aber heute – und in Zeiten von künstlicher Intelligenz? Das alte System ist hoffnungslos outdated – Zeit für das Update.
Der IT-Markt ist leergefegt? Es gibt da draußen zig Entwickler:innen, Data Scientists und IT-Sicherheitsexpert:innen, die ihr Handwerk im Selbststudium oder durch praktische Projekte gelernt haben. Skills-Based Hiring öffnet die Tür für diese Leute und sorgt dafür, dass Stellen (schneller) besetzt werden. Besonders Quereinsteiger:innen und Autodidakt:innen bringen oft relevante Praxisfähigkeiten mit.
Bewerbungsprozesse nach klassischen Mustern haben einen eingebauten Bias. Wer einen bestimmten Uni-Abschluss fordert, bevorzugt automatisch eine bestimmte soziale Gruppe. Skills-Based Recruiting stellt alle auf eine Stufe: Kannst du es oder kannst du es nicht? Das sorgt nicht nur für mehr Gerechtigkeit, sondern auch für bessere Teams mit unterschiedlichen Perspektiven und eröffnet neue Chancen.
Klar, irgendjemand mit einem Top-Abschluss kann den Job vielleicht machen. Aber will er oder sie ihn wirklich? Skills-Based Hiring führt dazu, dass Leute eingestellt werden, die fachlich wirklich zur Rolle passen – und genau das sorgt langfristig für zufriedenere, motiviertere Mitarbeiter:innen.
Monatelange Bewerbungsprozesse, unzählige Interviews – und am Ende sagt die Wunschkandidatin doch ab? Wer direkt auf Fähigkeiten testet, spart Zeit. Praxistests, Coding-Challenges oder Projektarbeiten zeigen sofort, ob jemand den Job beherrscht. Keine Ratespiele mehr, keine Lebenslauf-Schönmalerei.
Die Idee hinter Skills-Based Hiring klingt einleuchtend – aber wie setzt man das Ganze konkret um? Ein paar wohlklingende Änderungen in der Stellenausschreibung reichen nicht. Ein kompetenzbasiertes Recruiting verlangt ein Umdenken in mehreren Bereichen: von der Identifizierung der richtigen Fähigkeiten über die Entwicklung neuer Bewertungsmethoden bis hin zur Schulung von HR-Teams.
Hier sind die drei wichtigsten Schritte, um Skills-Based Hiring erfolgreich in deinem Unternehmen zu etablieren.
Ein häufiges Problem im Recruiting: Viele Unternehmen haben kein klares Bild davon, welche Skills für eine bestimmte Position wirklich entscheidend sind. Oft werden Stellenprofile auf Basis nicht aktualisierter Vorlagen oder Wunschlisten erstellt, die mit den realen Anforderungen kaum (noch) übereinstimmen. Denn durch den schnellen technologischen Wandel ändert sich das Anforderungsprofil dynamisch.
💡 Lösung: Eine strukturierte Analyse der Kernkompetenzen für jede Position. Dabei kann dir eine Skill-Matrix helfen, die zwischen drei Kategorien unterscheidet:
✔ Must-have-Skills: Ohne diese Kompetenzen kann der Job nicht ausgeführt werden (z. B. „Erfahrung mit React für einen Frontend-Entwickler“).
✔ Nice-to-have-Skills: Fähigkeiten, die nützlich, aber nicht zwingend erforderlich sind (z. B. „Kenntnisse in UX-Design für einen Webentwickler sind wünschenswert“).
✔ Soft Skills: Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke, Problemlösungskompetenz – gerne unterschätzt, aber fundamental für den langfristigen Erfolg.
Beispiel für eine vereinfachte Skill-Matrix für einen DevOps Engineer:
Diese Methode hilft dabei, klare, messbare Kriterien zu definieren.
Ein großes Manko klassischer Recruiting-Prozesse: Lebensläufe und Bewerbungsgespräche sagen oft wenig darüber aus, was jemand tatsächlich kann. Wer den Bewerbungsprozess an Skills ausrichten will, muss die richtigen Methoden zur Kompetenzbewertung entwickeln.
Drei bewährte Methoden zur Bewertung von IT-Skills:
✔ Technische Assessments & Coding-Challenges
Praktische Aufgaben helfen, Fachkompetenz in Echtzeit zu messen. Entwickler:innen können in einer Coding-Challenge unter Beweis stellen, wie gut sie ein Problem lösen – anstatt nur über frühere Projekte zu reden.
✔ Projektbasierte Evaluierungen & Fallstudien
Statt Kandidat:innen nach ihrer Erfahrung zu fragen, sollten sie eine konkrete Aufgabe lösen:
✔ Behavioral Interviews & Soft-Skill-Analysen
Richtig, Soft Skills nicht vergessen! Fachliche Fähigkeiten sind wichtig – aber Soft Skills machen oft den Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Mitarbeitenden. Strukturierte, kompetenzbasierte Fragen helfen dabei, diese Skills messbar zu machen:
Ein neues Recruiting-Modell funktioniert nur, wenn alle Beteiligten verstehen, wie es funktioniert. Viele Hiring-Manager sind noch auf das alte System trainiert – CV-Scans, Zeugnisbewertung, klassische Interviews.
💡 Deshalb braucht es gezielte Schulungen für Personalverantwortliche, um die Umstellung auf Skills-Based Hiring erfolgreich umzusetzen.
✔ Wie bewerte ich Kandidat:innen objektiv nach Fähigkeiten?
→ Trainings zu kompetenzbasierten Interviewtechniken, objektiven Bewertungen und praktischen Assessments.
✔ Wie erkenne ich unbewusste Vorurteile im Recruiting?
→ Workshop-Reihen zur Vermeidung von Bias in Bewerbungsprozessen – z. B. technische Kompetenz nicht mit bestimmten Bildungswegen gleichsetzen, sondern nach realen Kompetenzen bewerten.
✔ Wie integriere ich digitale Tools für Skills-Based Hiring?
→ Einführung von KI-gestützten Bewerberanalysen, digitalen Assessments und standardisierten Testverfahren.
Ja, Skills-Based Hiring klingt super – aber in der Praxis stößt man schnell auf Widerstände. Warum? Weil Veränderungen immer unbequem sind. Besonders in HR-Teams, die jahrelang mit klassischen Methoden gearbeitet haben. Doch wer sich jetzt nicht anpasst, wird den War for Talent verlieren.
Hier sind die drei größten Herausforderungen – und wie du sie meisterst.
Problem: Viele Recruiter hängen an traditionellen Prozessen. „Wir haben schon immer so eingestellt“ oder „Ohne Studium wissen wir nicht, ob jemand qualifiziert ist“ – solche Sätze fallen häufiger, als man denkt.
✅ Lösung: Beweise mit Daten, dass Skills-Based Hiring funktioniert.
Problem: Theoretisch klingt es gut, Bewerber:innen nach Skills zu bewerten – aber wie misst man objektiv, ob jemand wirklich gut ist? Ein Coding-Test allein reicht nicht, und ein einzelnes Gespräch gibt auch nicht immer die ganze Wahrheit wieder.
✅ Lösung: Kombiniere verschiedene Bewertungsmethoden für ein verlässliches Bild.
💡 Tipp: Tools wie Codility, HackerRank oder TalentScore ermöglichen objektive, datenbasierte Bewertungen.
Erfolgsfaktor: Stelle sicher, dass Tests keine versteckten Bias enthalten – z. B. kulturell geprägte Fragestellungen oder unnötig komplizierte Aufgaben, die nichts mit dem Job zu tun haben.
Problem: Technisches Wissen allein reicht nicht. Selbst der beste Entwickler bringt wenig, wenn er nicht angemessen kommunizieren kann. Doch Soft Skills zu messen, ist schwieriger als ein Coding-Test.
✅ Lösung: Standardisierte Methoden für Soft-Skill-Tests entwickeln.
Das findet auch Jeanne Cordisco, Chief People Officer bei O'Reilly: „Angesichts der rasanten technologischen Fortschritte, die zu radikalen Veränderungen bei den Beschäftigungsmöglichkeiten führen, suchen Unternehmen zunehmend nach Personen mit speziellen Fähigkeiten.“
Abschlüsse sind keine Erfolgsgarantie – Skills sind der neue Standard für die IT-Personalsuche. Unternehmen müssen gezielt Kernkompetenzen definieren – keine schwammigen Anforderungen mehr. Denn Skill-Based Hiring liefert bessere Ergebnisse – vorausgesetzt, die Kompetenzen sind ausgewählt und richtig. HR-Teams müssen sich spätestens jetzt darauf einstellen und die richtigen Tools nutzen. Denn wer nicht auf Skills-Based Hiring umstellt, verpasst großartige Chancen und die “hidden Talents”.